Editorial (PDF 71 kB)
Alle Autorinnen und Autoren, alle Redakteurinnen und Redakteure seit 1992 (PDF 66 kB)
Gerhard Schumm
Montage, der
Familie erklärt (PDF 47 kB)
Jean-Luc Godard
Schnitt, meine
schöne Sorge (PDF 86 kB)
Heinz B. Heller
Jean-Luc Godard:
«Schnitt, meine schöne Sorge».
Anstöße für eine Re-Lektüre (PDF 116 kB)
Christine N. Brinckmann
Die
poetische Verkettung der Bilder (PDF 123 kB)
Hans J. Wulff
Accoladen.
Die Montage der Listen und seriellen Reihungen (PDF 132 kB)
Karl Prümm
Die
Montage als alles durchdringendes Prinzip
der Stadtsinfonie. Anmerkungen zu Walter Ruttmanns
Berlin. Die Sinfonie einer Grossstadt und die
Folgen (PDF 399 kB)
Norbert M. Schmitz
Distanzmontage als
modernes Kunstprinzip.
Artavazd Peleschjans Theorie und Praxis der Montage (PDF 105 kB)
Gerhard Schumm
Arbeit der
Filmmontage (PDF 396 kB)
Frederick Wisemann
Filmmontage als
Gespräch im Viereck (PDF 102 KB)
Kristin Thompson
Den
Figuren beim Schauen zuschauen, circa 1915 (PDF 95 kB)
Daniel Wiegand
Vom Durchdringen
der Räume.
Aspekte der Montage in Benjamin Christensens Hævnens
Nat (PDF 324 kB)
Malte Hagener
Montage im Bild.
Die Splitscreen bei Brian De Palma (PDF 199 kB)
Barbara Flückiger
Assoziative
Montage und das ästhetische
System von Stay (PDF 226 kB)
Christine N. Brinckmann
Zur
Erinnerung an die Zeitschrift
Filmkritik:
Einleitende Bemerkungen zu Harun Farockis
«Schuss/Gegenschuss»-Aufsatz (PDF 81 kB)
Harun Farocki
Schuß –
Gegenschuß:
Der wichtigste Ausdruck im Wertgesetz Film (PDF 144 kB)
Hans Beller
Schuss/Gegenschuss im
Dokumentarfilm:
Zum Cross-over eines fiktionalen Montagemusters (PDF 172 kB)
Ulrich Gregor
Nuit et Brouillard.
Bemerkungen zu einer Schlüsselszene (PDF 141 kB)
Susanne Krauß
Sichtbare Montage in Mein Leben Teil 2 (PDF 274 kB)
Barbara Wurm
Ein Buchstabe
im ABC der Montage.
Timošenko 1926: Axiome – Typologie – Diagramme (PDF 338 KB)
Wolfgang Beilenhoff
Montage
1929/Montage 1939 (PDF 146 kB)
Oksana Bulgakowa
Lew
Kuleschow – ohne ‹Kuleschow-Effekt› (PDF 225 kB)
Editorial
Mit dem vorliegenden Heft feiert die Zeitschrift den 20. Jahrgang ihres Erscheinens. Der Titel ist immer noch Programm – was liegt also näher, als ihn anlässlich dieses Jubiläums nun endlich zum Thema zu machen?
«Montage assoziiert…
… daß etwas geschieht mit Film, Fernsehen, Video, etwas Offenes,
das uns reizt;
… daß Konstruktives vor sich geht, ebenso wichtig das Einzelne mit
seinem Materialwert wie der Zusammenhang;
… daß aus Elementen Neues entsteht; fließende Übergänge, klärende
Kontraste, schockierende Dissonanzen;
… daß es Stücke gibt, die bleiben; anderes wird weggehängt oder
fliegt ’raus;
… daß der Schaffensprozeß nicht weit ist, die Erotik des Schneideraums.
»
So stand es im Editorial zur ersten Ausgabe von montage AV im Jahr 1992. Ein Manifest, eine Programmatik, gemeinsam formuliert am Kreuzberger Küchentisch – fröhliche Wissenschaft. Den Umschlag der ersten Ausgabe zierte eine Skizze Dziga Vertovs zur Montage in Der Mann mit der Kamera.
Kaum ein Begriff ist so eng mit den ästhetischen Erfahrungen, Erfindungen und Absichten der Moderne verbunden wie dieser. ‹Montage› galt von Beginn an als ein – wenn nicht das – Kernkonzept einer Ästhetik und Semiotik des Films. Indem er die Potenziale der Montage auslotete, bestimmte der Film den Kurs der Moderne maßgeblich mit und wurde, im Austausch mit den Montageformen der Nachbarkünste, zur eindrücklichsten Kunst des 20. Jahrhunderts.
Filmisches Erzählen ist gebunden an die Montage bewegter Bilder. Der Film als analytische wie synthetische Kunst fand darin das ihm eigene Ausdrucksmittel. Montage folgt dabei keinem starren Katechismus, sondern entsteht in der Auseinandersetzung mit dem Stoff, den Intentionen der Narration oder der Darstellung, der gestaltenden Zuwendung zum Gegenstand. Sie ist Ausdruck einer historisch sich wandelnden filmischen Analyse, ist die Bedingung historisch sich wandelnder Erzählformen. Doch nicht nur die Spielarten des Erzählens sind an Montage gebunden, sondern auch andere Modi des Mitteilens, Darlegens, Beschreibens, Argumentierens. Jedwede Diskursivierung eines Stoffs oder Gegenstands-in-Rede basiert auf Montage, erfolgt in montierter Form.
Montage war von Anbeginn zentraler Bestandteil im formal-ästhetischen Projekt des Films als Kunst. Auch in der konventionalisierten Form der Kontinuitätsmontage zeigten sich Potenziale, etwa durch grafische Anschlüsse, Rhythmisierung oder thematische Parallelen, über die funktionale Verbindung von Einstellungen hinaus ästhetische Wirkung zu erzeugen. Konventionen und Regeln blieben offen, da die konkrete Arbeit am Schneidetisch oder am Schnittsystem immer auch eine Auseinandersetzung mit Gegenständen und Themen bedeutet und so dem Kontext kultureller Diskurse verhaftet bleibt.
Das Reflektieren über Montage erfolgt notwendig in einem Horizont von Rezeption. Strategien, spezifische Aneignungsformen zu ermöglichen, waren und sind Fluchtpunkt aller Montagetheorie, sei sie ästhetisch, politisch, moralisch oder propagandistisch orientiert. Montage lenkt Bewegungen der Rezeption: kognitiv wie affektiv-emotional, die moralische Implikatur des Dargestellten betreffend wie die Selbstverortungen der Zuschauer. Darum auch ist der Schneideraum der Ort, an dem Planung, Inszenierung und endgültige Realisierung eines Films zusammenkommen – in beständigem Austausch mit einem imaginären Publikum. Montage umfasst die Simulation des Verstehens, sie kalkuliert Spannungen und Aha-Erlebnisse, sie sorgt für den Zusammenhang der Gedanken und die Klarheit der Darstellung: weil das montierte Material zum Ausgangspunkt des Aneignens wird. Schneiden verleiht darüber hinaus den Bildern ihren Fluss, es organisiert die Bewegungen der Zuschauer durch den Raum der Geschichte wie der sinnlich visuell oder akustisch dargebotenen Argumente.
Schnitt basiert auf Wissen und handwerklichem Können und ist doch ständig auch innovatives, kreatives Nachdenken über Möglichkeiten, durch die Folge der Bilder das Dargestellte zu modellieren. Schnitt ist Theorie und Praxis der filmischen Formung gleichermaßen. Es ist nicht allein die Schere, die die Bilder zerteilt, sondern zugleich und immer auch die Frage, wie sie sich in die Abfolge fügen: Schneiden und Kleben, Zerteilen und Konstruieren, Auseinandernehmen und Zusammenfügen. Es macht einen Unterschied, ob man vom Schnitt redet oder von der Montage, doch es sind die beiden Seiten desselben Vorgangs.
Wie sehr bewegen sich wissenschaftliche Analyse und visuelle, räumliche und zeitliche Analyse im Schneideraum aufeinander zu, wie viel können sie voneinander lernen! Montage ist der Ort, an dem das Kreative und das Kommunikative, das Ästhetische und das Gedankliche, das Historische und das Abenteuernd-Aktuelle zusammenkommen. Diesem Gedanken folgend, behandeln die Artikel des vorliegenden Heftes Positionen und Entwürfe der sowjetischen Montagetheorie und -praxis, Überlegungen zum Continuity Editing und zu Montageformen jenseits davon, Montage im Dokumentar- und im Experimentalfilm und anderes mehr. Manche Beiträge haben wir aus dem Archiv des Nachdenkens über Film wieder zugänglich gemacht, andere gehen neue Wege, erkunden Formen, die in der klassischen Theorie eine nur marginale Rolle gespielt haben.
Montage ist Bewegung, ist kontinuierliches Erproben der Ausdrucksmöglichkeiten des Films. Darum ging und geht es uns, das war und ist das Programm nicht nur dieses Heftes, sondern von montage AV als Forum des Nachdenkens über Film und Medien überhaupt – jetzt und in Zukunft.
Der 20. Geburtstag ist natürlich auch Anlass, danke! zu sagen: Die Herausgeber bedanken sich bei allen Autoren, ohne die es dieses Projekt nicht gäbe, beim Schüren-Verlag für die gute Zusammenarbeit, bei Stefan Herzig für die Betreuung der Website und natürlich bei unseren Lesern für ihre Treue in all den Jahren.
Britta Hartmann, Hans J. Wulff für die Redaktion von montage AV